Zum Schluss noch mal kitschig

Weihnachtszeit war im Schaufenster immer die Zeit der anrührenden Geschichten, da machte auch das Jahr 2010 keine Ausnahme. Also gab es auch diesmal im Editorial von „Unser Schaufenster“ eine eher leise Geschichte. Und ganz leise endete mit dieser Ausgabe nach über sechs Jahren auch meine Arbeit an dieser Produktion. Schön war’s …

Liebe Leserinnen und Leser,

seit ich die Redaktion des Schaufensters übernommen habe, erzähle ich Ihnen in jeder Weihnachtsausgabe aufs Neue eine kleine Geschichte. Auch in diesem Jahr möchte ich dieses tun, wenngleich die strahlende Sonne, die mich gerade an der Nase kitzelt, es mir reichlich schwer macht, in die rechte Weihnachtsstimmung zu kommen. Deswegen halte ich mich auch nicht lange mit der Vorrede auf und springe mitten hinein in die diesjährige Geschichte.

Vor vielen Jahren lebte in einer kleinen englischen Stadt ein Postbeamter namens Charles Thompson. Er hatte einen ganz besonderen Job: Die Bearbeitung von unleserlichen oder falsch adressierten Briefen. Er liebte seine Arbeit und legte dabei geradezu detektivischen Ehrgeiz an den Tag. Er liebte seine Frau, seine beiden Kinder, aber ganz besonders liebte er es, sich nach getaner Arbeit eine Pfeife anzuzünden und seiner Familie von seiner Findigkeit zu berichten. Keine Wolke trübte seinen kleinen, überschaubaren Horizont, sein Leben war schön.

Bis eines Tages ein Schicksalsschlag die Familie Thompson traf. Bobby, Charles’ gerade einmal sechsjähriger Sohn starb plötzlich und unerwartet nach einer kurzen heftigen Krankheit. Fortan war Charles nur noch ein Schatten seiner selbst. Während Frau und Tochter versuchten, sich in das unabänderliche zu ergeben, glich Charles’ Leben immer mehr einem seiner verirrten Briefe. Er funktionierte, erledigte seine Arbeit, aß und schlief, redete jedoch kaum noch ein Wort und wurde mehr und mehr zu Stein. Nicht einmal mehr seine geliebte Pfeife mochte er sich anzünden. Die Monate gingen freudlos dahin und Thompson versank immer tiefer in seiner selbst gewählten Apathie.

Eines grauen Dezembertages saß Charles wieder einmal vor einem Stapel unzustellbarer Briefe. Obenauf lag ein Kuvert, bei dem er nicht lange nachdenken musste, ob es zuzustellen sei: An den Weihnachtsmann, Nordpol, stand dort in ungelenker Kinderschrift. Er wollte den Umschlag schon weglegen, als ein merkwürdiges Gefühl ihn dazu trieb, den Brief zu öffnen. „Lieber Weihnachtsmann”, war da zu lesen, „Wir sind sehr traurig bei uns zuhause in diesem Jahr, deswegen möchte ich auch keine Geschenke. Im Frühjahr ist mein kleiner Bruder in den Himmel gekommen, deswegen habe ich nur eine Bitte an dich: Hole doch bitte sein Spielzeug bei uns ab. Vor allem sein Holzpferd, das er so liebte. Wie einsam muss er sein im Himmel, so ganz ohne sein Pferd. Ich stelle alles neben die Küchentür, damit du es auch gleich findest. Du musst auch wirklich nichts da lassen für mich, aber vielleicht könntest du Vati etwas mitbringen? Ich hätte so gerne, dass er wieder seine Pfeife raucht und mir Geschichten erzählt. Ich habe ihn einmal zu Mutti sagen hören, nur die Ewigkeit könnte seine Wunden heilen. Könntest du also bitte etwas davon für ihn mitbringen, damit alles wieder so wird wie früher?”

An diesem Abend beeilte Thompson sich sehr, nach Hause zu kommen. Schon im Vorgarten zündete er sich seine Pfeife an, und als er in die Stube trat, blies er eine große Rauchwolke vor sich her. Er lächelte seiner Frau und seiner Tochter zu, ganz so, wie er es früher immer getan hatte.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein frohes Weihnachtsfest und einen erfolgreichen Start in das Jahr 2011.
Herzlichst, Ihr André R. Kohl

Details
Titel: Weihnachtsausgabe Unser Schaufenster 2010
Autor: André R. Kohl
Kunde: Schülingkamp Productions

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